Matera – Kulturhauptstadt 2019
Für Wohnmobile gibt es in der Nähe der Altstadt einen überdachten, bewachten Parkplatz. Dort stellen wir unsere Henriette für 2 Tage ab und fahren direkt von dort mit dem Shuttlebus um € 1,50 zu unserem Hotel. Die nächsten 2 Nächte verbringen wir in einer der zahlreichen Höhlenwohnungen von Matera.
Schon bei der Anfahrt erleben wir den ersten AHA Effekt. Nach nur 5 min. Fahrt mit dem Bus biegt dieser um die Ecke und wir können einen ersten Blick auf die Höhlenstadt werfen.
Unsere Unterkunft, das Fra dei Sassi, liegt in Sasso Barisano, gegenüber des Doms. Von unserer „Höhle“ aus geniessen wir den traumhaften Blick auf einen kleinen Teil der Stadt.
Wir machen uns natürlich gleich auf um die nahe Gegend zu erkunden und beginnen bei der Kirche San Agostino.
Im hinteren Teil der Kirche gelangen wir durch einen kleinen Durchgang in einer kleinen Felsenkapelle mit zahlreichen alten Fresken.
Auch kulinarisch hat Matera Sassi so einiges zu bieten. Wir lieben es in kleinere Restaurants zu gehen und werden sehr angenehm überrascht. Typische lokale, uns dato noch total unbekannte Speisen begeistern nicht nur das Auge, sondern bringen unsere Geschmacksknospen zum expodieren.
Schon vor Sonnenaufgang treibt es mich aus dem Bett, und ich kann euch sagen, es lohnt sich.
Ganz alleine marschiere ich über hunderte Stufen auf und ab, und staune nicht schlecht. Beim Domplatz oben angelangt führen Treppen auf der hinteren Seite wieder bergab. Die Stadt ist größer als wir auf den ersten Blick gedacht haben.
Mittlerweile ist die Sonne aufgegangen und die ersten Häuser werden angestrahlt. Die einzigen Menschen denen ich um diese Zeit begegne, sind 2 Saubermacher – die mit ihrem Müllauto unterwegs sind. Ich werde kurz angehupt und freundlich mit einem „buon Giorno“ begrüßt.
Nach einer Stunde und 6000 Schritten bin ich wieder zurück, die Stadt erwacht nur ganz langsam.
Bei einer Führung erfahren wir von Guiseppe aus der Toscana, der hier während der Saison als Reiseführer tätig ist, sehr viel über die Geschichte dieser Stadt.
Die Wahl zur Kulturhauptstadt hat die Bewohner der ehemaligen „Schande Italiens“ mit Stolz erfüllt. Auf einem Video zeigt uns Guiseppe die jubelnde Bevölkerung während der Verkündung.
Matera war früher der Schandfleck von ganz Italien, die Menschen hausten mit vielen Tieren, wie Hühner, Esel, Ziegen, Schafe und Hunden in den finsteren Höhlen, den sogenannten Sassi.
Die Kindersterblichkeitsrate lag bei 50% im ersten Lebensjahr.
1952 wurden diese Sassis aufgrund der schlechten Lebensbedingungen geräumt, die Menschen wurden evakuiert und mußten ihr Zuhause verlassen. Sie wurden in die sich entwickelnde „neue Stadt“ übersiedellt. 1968 durften sie wieder in ihre Höhlen zurück.
Inzwischen leben wieder 3000 Menschen in diesen Sassi.
MATERA IST DER EINZIGE ORT AUF DER WELT, AN DEM MENSCHEN SICH RÜHMEN KÖNNEN, NOCH IN DEN HÄUSERN IHRER VORFAHREN VON VOR 9 000 JAHREN ZU LEBEN.
Matera war bis vor wenigen Jahren noch unbekannt, die Wahl zur Kulturhauptstadt haucht dieser einzigartigen Stadt wieder Leben ein. Es wurde und wird an allen Ecken und Enden renoviert., inzwischen sind es schon 65% der Gebäude. Der Tourismus floriert. Die Führer haben alle Hände voll zu tun.
Die erste Kirche, die wir besuchen ist die San Antonio Abate, welche laut Giuseppe „nur“ 500 Jahre alt ist. Ein alter Mann erstaunt uns mit seinem Gesang in italienischem Dialekt mit einem alten Instrument.
Es sieht aus wie eine Trommel, der Ton entsteht jedoch durch das Reiben des Stabes, welcher in der „Trommel“ steckt. Natürlich werden wir zum mitsingen aufgefordert und dürfen uns an diesem Instrument versuchen. Leichte Reibung macht keine Töne, der Stab will schon ein wenig fester angegriffen werden – und er muß immer wieder mit Wasser benetzt werden. Sehr interessant.
Die Fresken in den Kirchen und Höhlen wurden großteils von den darin lebenden Tieren mit den Jahren zerstört.
Der Rundgang durch die Stadt führt auch vorbei an einigen Schauplätzen berühmter Filme wie König David, Das Omen, Ben Hur, Maria Magdalena, sowie der Bibelfilm von Mel Gibson „Die Passion Christi“ im Jahr 2004.
Im Sommer dieses Jahres wird die Stadt Matera wieder von Filmschauspielern und deren Gefolge besiedelt sein um einen neuen James Bond zu drehen. Die Vorarbeiten laufen schon auf Hochtouren.
Was wäre ein Besuch von den Sassi ohne Besichtigung einer Höhlenwohnung? Diese war bei Weitem nicht so komfortabel wie die heutigen Höhlenhotels es sind.
Die Küche
Der Stall
Das Badezimmer
Unsere Tour führt auch in zahlreiche Kirchen und endet beim höchst gelegenen Punkt von Matera, dem Dom aus dem 13. Jht.
Wir setzen unsere eigene Besichtigung am Nachmittag fort, es gibt ja noch soooo viel zu entdecken. Ausserdem möchte ich Wolfgang noch Plätze zeigen, die ich bei meinem frühmorgendlichen Rundgang entdeckt habe.
Eine ganz besondere Location macht die Ausstellung von Salvatore Dali, welche in diesem Jahr hier stattfindet, noch interessanter. In den verzweigten Räumlichkeiten einer alten Felsenkirche, der Chiese rupestri di Matera werden fast 200 originale Kunstwerke hervorragend zur Geltung gebracht.
Eine übergroße Kopie dieses Kunstwerks steht bei der Piazza San Francesco, das original finden wir in den Höhlen der Felsenkirche.
Dieses Höhlensystem scheint kein Ende zu nehmen, weit über dem Eingang auf einem Hügel befindet sich der Ausgang. Wir sind begeistert und sind uns einig – die € 12.00 Eintritt ist dieses Erlebnis allemal wert. Ganz umsonst ist der traumhafte Anblick dieser Stadt am Abend.
Während Wolfgang die Wärme der Höhlenwohnung geniesst ( weil beheizt ), kann ich es nicht lassen und mache mich wie schon gestern Abend erneut auf den Weg. Nur ungern verlassen wir diese tolle Stadt nach 2 Tagen wieder.